Einschreibung

Eigentum und Schrift

Überall schmücken und markieren sich die Menschen. Durch Inszenierung und Körpermanipulation wird Gruppenzugehörigkeit hergestellt. So entsteht ein „Wir“, das nur durch die Abgrenzung zu den „Anderen“ wirksam wird. Diese Unterscheidung produziert eine selbstverständlich erscheinende Ordnung, die regelt, was zu wem gehört.

Besitz kann sich zunächst auf alles beziehen, was im unmittelbaren Machtbereich liegt, worüber jederzeit Gewalt ausgeübt werden kann. Er kann zum erinnerten Eigentum werden, welches geschenkt, getauscht, geerbt, gestohlen und gepachtet wird. Die Regeln von Eigentum und Austausch drücken sich für lange Zeit in Körperornamenten, Ritualen, Geschichten, Architektur, Landschaftsmarken und Malereien aus. Mit der Einführung von Schrift nimmt die Innovationsspirale eine neue Wendung. Mensch, Tier, Ding und Land werden eindeutiger rationiert und registriert als jemals zuvor.

Die schriftliche Fixierung von Mengen und Gesetzen fällt in die Domänen der Religion und des Staates. Alle klassischen Schriftreligionen sind im Zusammenhang mit einem oder mehreren staatlichen Systemen entstanden, in denen Abgaben und Leistungen durch Einschreibung standardisiert werden. Zu den ersten Schriftzeugnissen überhaupt gehören Quittungen von Tempelverwaltungen. Die rund 4.000 Jahre alte Stele des Hammurabi von Babylon ist mit Keilschriftzeichen überzogen, die in äußerst festen Diorit geschlagen sind. Diese Zeichen bilden über 8.000 akkadische Worte, in denen Eigentumsrechte, Herrschaftsverhältnisse und Verhaltensregeln axiomatisch fixiert werden. Die Geschichte der schriftlichen Rationierung beginnt als Produkt und Produzent von Machtausübung. Schrift ist niemals unschuldig.

Literatur

Derrida, Jacques 1967. Die Schrift und die Differenz. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

Codex Hammurabi. Die Gesetzesstele Hammurabis. In der Übersetzung von Wilhelm Eilers. Wiesbaden: Matrix Verlag.

Texte